Zwischenblick März – April 2022

Heute morgen gehe ich in den Garten – barfuß, wie jeden Morgen – Kneipp lässt grüßen, Franzi dankt! Es knirscht leise unter meinen Sohlen. Schnee – im April – noch dazu am ERSTEN, kein Scherz. Unfassbar! Gut, wer bei 6 Grad in die Elbe geht muss sich nicht über kalte Füßchen beklagen, aber meine Obstbäumchen!

Prachtblüte, noch vor 3 Tagen!

Ich habe seit letztem Jahr eine klitze-kleine Obstplantage in meinem Garten: Eine Kirsche, zwei Birnen, ein Apfel, eine Quitte, eine Pflaume und eine Aprikose. Letztere beiden blüh(t)en gerade um die Wette mit der Magnolie und den Johannisbeeren. Die Heidelbeeren scheinen sich gebremst blühwillig an der benachbarten Quitte zu orientieren. Und dann kommt heute der Schnee zurück, ja waaaaaas?!

Mein kleines Eden

Wenn die Welt da draußen tobt, will ich drinnen lieber ganz still werden – meinen kleinen Frieden um mich und meine Liebsten kultivieren.

Es ist kein gepflegter Schmuck-Garten, den ich da hege. Ich habe einmal gelesen, der Zustand eines Gartens sagt viel aus über die Person aus, die ihn pflegt. Ja, Schmuck, Pracht und Zierrat, das alles wirklich nicht meins. Aber den großen und wilden Lauf vom Werden und Vergehen zu beobachten und zu genießen, das will ich.

Unsere westliche Tradition beruht ja auf der Überlieferung (Bibel, AT, Genesis, Kapitel 3), dass Adam und Eva, unsere Ureltern, einst aus dem Garten Eden vertrieben wurden. Diese über Jahrtausende und Generationen hinweg übernommene Annahme erklärt Vieles. Aber für mich nicht Alles.

Es gibt nämlich auch andere Traditionen, die in ihrer Weltanschauung nie aus dem Paradies vertrieben wurden – und wir leben alle auf dem selben Planeten. Also habe ich beschlossen, Eden nie verlassen zu haben.

Magnolien –  in Mannheim, aber auch da(nn)heim.

Vor allen Dingen verwehre ich mich aus tiefstem Herzen gegen die Thematik der Erbsünde – allein das Wort SÜNDE macht mich wütend. Fortan soll also ich mein Brot im Schweiße meines Angesichts verdienen und meine Kinder unter Schmerzen zur Welt bringen … wer sagt das? Wer bestimmt das? Ich entscheide, wie ich kreiere, gebäre und wie ich meine Themen in die Welt bringe.

Was für ein Geschenk, mich hier immer wieder mit den ganz Großen beschäftigen zu dürfen, aktuell Friedrich Hölderlin . Seine Zeilen, seine Lyrik, seine Weltanschauung, seine Wucht und auch sein Schmerz begleiten mich bei all meinen Spaziergängen. Natur ist alles – im Innen und Außen. Wie schön, dass ich das Programm zu seinen Ehren gemeinsam mit Daniel Brandl weiter im Repertoire pflegen kann.

Wem sonst als Dir, Hölderlin

Nun steht, wie in jedem Artikel irgendwie erwähnt, in diesem Jahr unser phänomenales Opern-Jubiläum an. Phänomenal ist es unbedingt für mich, da mir von Produktion zu Produktion selbst immer klarer wird, was ich mir hier für einen Schatz geschaffen habe! Ich kann schon jetzt sagen: Jawoll! Ich habe ALLE Partien gesungen, auf die ich Lust habe. Ehrlich: welcher Sopran kann das schon sagen … singen …!

Das Mannheimer Nationaltheater zeigt Eugen Onegin

Musik über alle Grenzen hinweg

Stimmfachgrenzen habe ich von Anfang an furchtlos übersprungen – nun stoße ich auf ganz andere Grenzen: wurde schon von mehreren Kollegen angesprochen, ob ich denn wirklich – wie geplant, und bereits wunderbar geschnitten und dokumentiert – im Herbst Tschaikowskys Eugen Onegin auf die Bühne bringen möchte.

Zuerst habe ich die Frage nicht verstanden. Gemeint ist, ob ich jetzt in dieser aktuellen politischen Lage, in dieser humanitären Katastrophe, wirklich einen russischen Komponisten – und sei es auch noch so legere – präsentieren will. Pause – Nachdenken – Durchatmen.

Rückfrage: Wem zeigte ich denn meine Solidarität, wenn ich nun, da ein narzisstischer Psychopath sämtliche Regeln der Mitmenschlichkeit, jegliches Verständnis von Würde und Menschenachtung, von Diplomatie und Demokratie mit Füßen tretend Angst, Schrecken und Not in einer Weise entzündet hat, wie wir es noch vor Monaten vielleicht nur für einen ganz üblen April-Scherz hätten halten wollen. Und mir ist – heute und überhaupt derzeit überhaupt nicht nach Scherzen!

Wem, bitte wem zeigte ich meine Solidarität, wenn ich in die Handlungsunfähigkeit zurücksinke und NICHT die Möglichkeit ergreife, Menschen zusammenzubringen, gemeinsam den Horizont zu erweitern, um der Welt mit all ihrer Vielfalt, mit all ihrer Schönheit, mit all ihrem Schrecken aufrecht entgegenzutreten?

Sind Osterglocken wirklich Narzissten?

Ich bin irritiert. Habe das Gefühl, dass in dem gleichen Maß, wie uns die Globalisierung in vielen ihrer Begleiterscheinungen längst über das seelische Fassungsvermögen hinaus gewuchert ist, wir nicht mehr wissen, unserem Schrecken, und unserer kollektiven Angst konstruktiv entgegenzutreten. Sinnvoll wirksam sein – wie geht das? Ich schrieb bereits davon: Spenden, helfen wo möglich und nötig und bitte bitte daneben das Schöne nie aus den Augen verlieren! Also kultiviere ich in meinem rahmen und meinen Möglichkeiten Mitgefühl und Hilfsbereitschaft.

Es gibt eine wunderbare Definition, die ich hier nur grobschlächtig wiedergeben kann: Der Unterschied zwischen einem Optimisten und einem Pessimisten ist folgender: Beide sterben irgendwann, aber der eine hatte bis dahin Freude und der andere nicht. Punkt. Ich habe Freude und lasse sie mir nicht nehmen, von nichts und niemandem.

Schneeflöckchen, Weißröckchen …

Blick über den Tellerrand

Über den Tag hin hat es nun unaufhörlich geschneit. Es schein fast, als wollte Mutter Erde über all diesen Unrat der Menschheit noch einmal die weiße Decke ausbreiten. Einmal noch innehalten, ob die Idee mit der Wiedergeburt der Natur, des neuen Lebens, dem Wiederauferstehen, nun gerade wirklich so eine gute Sache ist. Schnee drüber.

Pause. Nachdenken. Durchatmen

Die Optimistin baut einen klitze-kleinen Schneemann und macht weiter. Gibt sich weiter leidenschaftlich der Musik, der Lyrik, der Mitmenschlichkeit und Solidarität hin, auf dass wir kommenden Zeiten entgegenblicken, die von Frieden und Eintracht geprägt sind. Ostern naht, ich bin voller Hoffnung und erinnere mich. Erinnere mich gern an unsere Tradition, die auch besagt: Zur Geburt einer Tochter wird ein Birnbaum gepflanzt, für einen Sohn ein Apfel. Hab ich bereits – und noch viel mehr!

Bitte bleiben Sie gesund und ebenfalls hoffnungsfroh,

Ihre Franziska Dannheim

PS: Hier sind die Links zu meinen kommenden Konzerten und den vergangenen  März-Artikeln.

Vom aufstrebenden Licht – Gedanken zur Tag & Nachtgleiche

12 von 12 im März 2022

Sieben Jahre ist es her