Vom aufstrebenden Licht – Gedanken zur Tag & Nachtgleiche

Jetzt bricht das Leben durch, die Kräfte drängen und die Säfte sprießen. Wenn ich von meinem tagesaktuellen „Menschsein“ ein wenig Abstand nehme und einen Schritt zurücktrete, dann sehe ich – spüre ich, dass der Lauf der Natur mit all ihren Gesetzmäßigkeiten so unendlich viel größer ist.

Hier in den Wäldern an der Ruhr sprießt dieser Tage schon der Bärlauch. Sein würziger Duft zieht mich an, lockt mich. Wie die Bärin, die eben vom Winterschlaf erwacht aus der Höhle kriecht, gelüstet es mich danach, ihn zu essen. Auf dass seine reinigenden Kräfte jegliche Form von Winter-Trägheit aus meinem Leib spülen!

Bärlauch – Bärenkräfte weckt er auf

Frühjahrs -Tag & Nachtgleiche

Heute, genauer gesagt gestern, sind Tag und Nacht gleichlang. Dieses Frühjahrs-Äquinox, wie es auch genannt wird, ist im Jahreskreis das erste von insgesamt vier Sonnenfesten. Und jedes dieser vier Feste hat seine ganz besondere Qualität. Während im Sommer der Höhepunkt der lebendigen Natur gefeiert wird, steht im Herbst die Ernte an, auch im übertragenen Sinne: wir machen uns bereit für die dunkele Zeit, alles wendet sich langsam nach Innen. Zur Wintersonnwende ist die tiefste Nacht dann überschritten und tief in der Erde keimt das neue Leben.

Nun, zur Frühjahrs Tag & Nachtgleiche, kippt das Jahresrad ins Helle, ins wiedererwachende Leben! Die Natur gibt sich hin, beschenkt uns. Die Vögel singen, die Knospen springen auf und wir genießen Düfte von Magnolien und Veilchen und freuen uns, dass es des abends länger hell bleibt. Ab nächstem Wochenende, zur Zeitumstellung, werden wir davon ja noch mehr profitieren können.

Magnolien sind Zauberwesen

Geben & Nehmen oder Verzichten

Ganz passend in diesem Kreislauf des neuen Werdens aus vergangenem Sterben erscheint mir hier das wechselseitige Geben & Nehmen. Brandaktuell und herzzerreißend dramatisch sind wir alle gerade damit konfrontiert: Nur ein paar hundert Kilometer Luftlinie entfernt wird den Menschen gerade aufs Schmerzlichste so vieles, ja Alles genommen, und wir hier können uns im Geben üben: Spenden organisieren, Wohnraum zur Verfügung stellen, Organisations-Hilfe leisten.

Im gleichen Atemzug, wie wir diese humanitäre, menschliche, politische und schlicht unfassbare Katastrophe mitansehen, lässt uns aber auch nach wie vor die Klimakrise, in der sich unser gesamtes Lebenssystem über alle gerechten und ungerechten Ländergrenzen hinweg  befindet, nach Luft schnappen. So so so viel tut derzeit Not! Und ich beobachte in aller Stille: der Mensch ist sehr gut im Nehmen. Viele Menschen sind sehr gut im Geben. Doch sind es noch viel zu wenige, die wirklich und wahrhaftig, aufgrund tiefster Überzeugung, bereit sind, zu verzichten.

Schwarzdornblüte für die Dornenkrone

Schwarz & Weiß (-dorn)

Ja, der Schwarzdorn, also die Schlehe, blüht bereits, prächtiges Bienenparadies! Sie steht in der Tradition für den weisen und alten Anteil der dreifachen Göttin. Ihr junger Aspekt, die weiße, also der Weißdorn ist auch schon kurz vor Blüte. Schwarz und weiß! Alt und jung …

In der Freimaurerei gibt es für diese Gegensätze, also von Tag und Nacht, männlich & weiblich, leicht und schwer, et cetera ein besonderes Symbol: Das musivische Pflaster.

Nach einer alten, auf ihren Ursprung kaum überprüfbaren maurerischen Tradition war der Salomonische Tempel das Urbild freimaurischer Arbeit. Dieser Tempel des Königs Salomon soll mit schwarzen und weißen Steinen gepflastert gewesen sein. Wie im Schachbrett angeordnet, sind hier abwechselnd weiße und schwarze Quadrate angeordnet, gleichmäßig, regelmäßig. Es gemahnt uns daran, dass auf strahlende Zeiten düstere folgen können, und dass auch auf jede noch so tiefe Nacht wieder ein heller Morgen folgen wird.

Holunder, Pflanze der Holle

Nachtrag zum Titelfoto

Ich habe heute, an diesem 21. März ganz bewusst einen langen Spaziergang gemacht. Vorbei am Holunder, vor dem man nach altem Brauch den Hut ziehen soll. Baum der Holle, sie schenkt das Leben und sie nimmt’s auch wieder. Vorbei am Jagdhaus Schellenberg im Essener Süden, hoch über dem Baldeneysee. Seit letztem Jahr steht – ich möchte sagen „thront“ – im angrenzenden Nutzgarten dieser grandiose Totem-Stamm. Er ist wohl als kanadische-deutsches Freundschafts-Symbol entstanden und zu diesem Zwecke eben dort aufgestellt worden.

Ich blicke hinauf zu seiner Spitze, ein Adler breitet dort seine Schwingen aus zum Flug. Er ist de Archetyp des Ostens, der aufgehenden Sonne, des neu erwachenden Tages, des Frühlings. Der Adler gemahnt mich, meine eigenen Schwingen auszubreiten, um mich ab und an über die kleinen und größeren Nickeligkeiten meines irdischen Lebens zu erheben, um den Blick auf den Horizont und weit darüber hinaus nicht zu verlieren.

Flügelschlag für Flügelschlag will ich mich in ein gerechteres, gesünderes und sinnstiftenderes Leben begeben – jetzt. Und ich bin bereit, dafür auf manches zu verzichten.