Mit der Oper auf der Messe – Inthega 2022

Diese Woche war es wieder soweit: Drei Tage Messe in Bielefeld zur diesjährigen Inthega.

Im Vorfeld werde ich immer wieder gefragt: „Du gehst auf eine Messe? Ich dachte, der Sopran singt in der Messe“ … oder so ähnlich. Hier tut Aufklärung not: Seit nun mehr 11 Jahren bin ich jedes Jahr mit einem, also meinem Stand, vorrangig zu meiner Oper légère, auf der Inthega vertreten. Da ich mich selbst und meinen kreative „Gemischte Tüte“ vertrete, bin ich dort vor Ort. Dann kommt die nächste Frage:

„Inthega? Was ist das?“

Hier folgt ein Auszug der Inthega-Homepage (trefflicher könnte ich es selbst ja nicht formulieren): „Die INTHEGA ist ein anerkannter Berufsverband der Theaterveranstalter ohne eigenes Ensemble. Der INTHEGA-Kongress verbindet in einer dreitägigen Veranstaltung die Fachtagung und den Theatermarkt. Der Theatermarkt ist die Leitmesse für deutschsprachiges Tourneetheater. Rund 180 Anbieter aus den Bereichen Schauspiel, Musiktheater, Crossover, Kinder- und Jugendtheater, Kabarett, Shows und Konzerte präsentieren hier ihre Gastspielangebote.“ Kurze Ergänzung: es geht hier nicht um Großstadtbetriebe, sondern um „Kultur für die Breite“, also die Provinz.

So baut die Dannheimerin seit nunmehr elf Jahren alljährlich ihren Stand auf und preist im Anschluss zwei Tage lang den vorüber flanierenden Kulturamtsleiter*innen und engagierten Kulturvereins-Vorsitzenden ihre légère Oper an. Da ist es doch mal an der Zeit, einen heiter bilanzierenden Rück-, und Quer-, und Vorblick zu versuchen:

Süßigkeiten und Limonade auf einem Messe-Tisch
Für den kleinen Zuckerschub zwischendurch

Phase 1: Vorbereitung

Man könnte ja meinen, dass so eine Messe-Vorbereitung im ELFTEN Jahr locker-flockig von der Hand fluppt; bei mir ist das leider nicht der Fall. Wochen vorher geht es los: Welchen Video-Trailer kann ich einreichen? Welche Werbeanzeige kann ich schalten? Habe ich an alle Flyer gedacht? Hätte ich nicht viel konsequenter all meine diesbezüglichen Kontakt-Personen anschreiben und an meinen Stand einladen können/sollen? War der Textil-Banner übers Jahr tadellos im Keller verräumt? Habe ich alles ordentlich bestellt und vor allem bezahlt? Herzlicher Dank geht hier an Herrn Hauser und Frau Hill von der Geschäftsstelle der Inthega, die mit Engelsgeduld all meine Sonderfragen beantworten und mir dennoch den absoluten Filet-Platz direkt am Hallen-Eingang zubilligen, DANKE!

Sonntagmorgen ist es dann soweit: alle Hätte-sollte-könntes sind nebst Programm-Flyern und Ordnern, Gummibärchen und Feuchttüchern, Banner-Rolle und Leiter, Kehrblech und Mülltüte, sowie einem kleinen Werkzeugkoffer (den ich eigentlich immer nur an Kollegen verleihe, weil meine Stand-Deko mit 6 Spannklemmen und 8 Klebestreifen fixiert ist) im Auto. Los geht’s!

Blick über die Stände in der Messehalle
Ich hab den tollsten Platz – direkt am Eingang!

Phase 2: Anreise & Aufbau

Seit einigen Jahren findet die Inthega immer in Bielefeld statt. Und ganz ehrlich: ich kann diesen blöden Spruch: „Bielefeld, das gibt es doch gar nicht“. nicht mehr hören. Vor allen Dingen, weil kaum einer den Hintergrund dieser Verschwörung-Theorie parat hat. Hier eine kleine Nachhilfe (Dannheim ist ja bekannt für ihre Abteilung „Neues aus der Klugscheiß-AG“).

Außerdem ist die Halle in Bielefeld in punkto Größe, Anbindung, Infrastruktur und überhaupt ideal für speziell diese Messe. Eine gewölbte Holzdecke mit Tageslicht erhellt die Halle, speziell von meinem Stand aus kann ich in einem großen Halbrundfenster sogar den Sonnenlauf bewundern – wenn ich gerade mal nicht im Gespräch bin.

Hübsche Schatten-Silouetten

Sehr gerne nutze ich diese Elf-Jahres-Erkenntniss und erinnere mich an meine Messe-Anfänge:

Ich hatte wirklich keinerlei Erfahrung und keine Veranstalter-Support-Kontakte, nix – nada – Kaltstart! Also habe ich – tatkräftig und ausdauernd von meinem wunderbaren Mann Felix Vörtler unterstützt – ein optisch ausdrucksstarkes Debüt ausbaldowert: rotes Sofa, passender Teppich, tolles Großformat-Foto von Hajo Müller, komplette Lichtanlage an Traversen und großer Bildschirm für Werbevideo! Das war ein endloses Geschleppe, stundenlanger Aufbau, bei dem es einige technische Finessen zu beachten galt. Aber Dank Herrn Teufel, der seit Jahr und Tag für den reibungslosen Aufbau von Seiten der Inthega und den jeweiligen Messehallen zuständig ist, hat alles gut geklappt.

Da hing es nun über dem roten Sofa, das große Bild, das hier meinen Beitrag ziert. Die Presse ging zur Eröffnung durch die Reihen, und einen Tag später konnte man in der Lokal-Zeitung lesen: „Sogar Schneewittchen ist da“ … oder so ähnlich.

Mein Fazit: auch wenn es echt mühsam war, und ich seit ein paar Jahren mit deutlich „verschlanktem Aufbau-Material“ unterwegs bin, hat sich dieser bildstarke Einstand gelohnt. „Branding“ nennt man das heute, glaube ich, egal – viele erinnern sich an das rote Sofa und verbinden es mit mir und meiner legeren Oper – das ist die Hauptsache! Danke Felix, danke Hajo!

Junge Frau im grauen Kleidchen sitzt auf kirschrotem Sofa
Foto: Hajo Müller. Ich mag das Motiv von 2011.

Phase 3: Messetag 1

Ich möchte an dieser Stelle erwähnen, dass ich eigentlich ein schüchterner Mensch bin, auch wenn mir das vielleicht keiner glaubt. Mein Bühnenpräsenz ist eben nicht 100 % deckungsgleich mit meiner Persönlichkeit. So fiel mir dieses Selbstvermarkten am Anfang wahnsinnig schwer. Wie soll ich jemandem klar machen, dass mein Format soundsoviel kostet, weil es genau das (und noch viel mehr) wert ist? Dies ist ein Dilemma, in dem so viele kreativ-künstlerisch Tätige stecken und ich finde es hervorragend, dass dieses „Vermarkten“ inzwischen endlich auch an manchen Hochschulen vermittelt wird!

Ich selbst ging eher nach dem Prinzip „try & error“ ans Werk und habe mir auf den ersten Metern „Kaltaquise“ auch wirklich den einen oder anderen Eiswasser-Eimer abgeholt. Grober Wortlaut: “ Was fällt Ihnen ein, mich einfach anzusprechen ..“ – äh … Messe? Neues Format vorstellen? … stammen … stotter … kurz auf die Toilette und die Wimperntusche renovieren – weiter geht’s.

Aber daneben gibt es ja auch reizende Kollegen und wohlwollende Veranstalter, die einen konstruktiv unterstützen und aufbauen. So entwickelte sich die Inthega auch für mich bald vom Haifischbecken zum Klassentreffen. Ganz ehrlich, ich freue mich jetzt schon auf nächsten Juni. Kleiner Plausch hier, kurze Bilanz da und es ist ganz ähnlich wie beim Friseur: Plötzlich weißt du von deinem gegenüber viel mehr, als … naja – Klassentreffen halt, wunderbar!

Zwei Frauen an einem Messestand, eine im Theaterkostüm
Bridge Markland ist Nathan die Weise

Phase 4: Veranstalter-Abend

Die Abend Veranstaltung beginnt immer mit der Preisverleihung der „Neuberin“, als Auszeichnung für besonders gelungene oder herausragende Produktionen. Und auch wenn es keine wirkliche Überraschung ist, dass jedes Jahr mindestens eine Landgraf-Inszenierung unter den drei Preisträgern ist, so konstatiere ich voller Anerkennung, dass hier Nachfrage und Angebot perfekt aufeinander abgestimmt sind.

Dieses Jahr gab es dann nach den üblichen Reden und vor der Eröffnung des Büffets noch eine Darbietung zweier ukrainischer Musiker*innen, die nach einen eindringlichen Ansprache, in der sie die kulturelle Vielfalt und den Theater-Reichtum in Deutschland hervorhoben und nach zwei schokoladenschönen Bass-Arien, ein ukrainisches Volkslied anstimmten – zum Heulen schön und tatsächlich sehr nachdenklich stimmend! Was geschieht gerade in der Welt? Im Großen und im Kleinen? Werden wir alle uns so auch im nächsten Jahr wiedersehen?

Blick auf lange Tafeln in der gut besuchten Veranstaltungshalle
Guter Appetit und angenehme Gespräche – genau so war es.

Phase 5: Messetag 2

Der Messetag 2 beginnt folgerichtiger Weise immer mit dem Morgen NACH dem gemeinsamen Aussteller/Veranstalterabend. Und da dieser nach dem Büffet-Essen und meist zögerlichen Tanz-Einlagen in der anschließenden „Disco“ im unteren Foyer der Halle, für manche traditionell noch lange nicht zu Ende sein muss, gibt es eben noch die eine oder andere Hotelbar, in der noch „nachverhandelt“ wird. Bei einem ersten dieser Abende stellte mir der reizende Tim Fischer den bestnetzwerkenden und umtriebigen Veranstalter und herzensguten Menschen Egon Ahrens aus Stade vor, der mich, die damalige „Anfängerin“, bis heute fördert und unterstützt. Das sei hier auch einmal ausdrücklich und dankend erwähnt!

In diesem Jahr 2022 ist der Inthega-Theatermarkt erstmals nicht im Oktober, sondern bereits im Juni – genau zur Mittsommernacht (über die ich im nächsten Artikel schreiben werde). Das hat mehrere Gründe und Begleitumstände, auf die ich hier nicht weiter eingehen möchte.

Diese Sommerzeit bedeutet aber: es ist völlig ungewohnt noch lange hell. Selbst nach 23 Uhr ist da noch dieser zarte Schimmer am Himmel, der einen für einen kurzen Moment glauben lassen will, man stünde in Barcelona an der Piazza und nicht am Bahnhof in Bielefeld.

Paar steht im am Bahnhofsparkplatz im Spätabendlich
Und der gute Gatte ist an meiner Seite.

Zurück zum Morgen der zweiten Messetages: Manch müde Aussteller*innen, manch zertanzter Veranstalter und heimreise-sehnende Veranstalterin schleichen da durch die Gänge, bis Blutzucker und Adrenalin wieder die richtige Betriebstemperatur gewährleisten – und das geschieht schnell.

Wir hatten mit ein paar lustigen Standnachbar*innen schon vor Jahren die Idee, immer zur vollen Stunde  von der bereits gezeigten Halbrundfenster-Empore aus eine kleine Gymnastik-Einheit zur gemeinsamen Gestell-Lockerung anzubieten.

Heute wären zu Mittsommer ja zwingend die 108 Sonnengrüße fällig. Aber mit den reizenden Standnachbarn Lissi und Herrn Timpe geht es gern etwas schwungvoller zu. Wir arbeiten jetzt fieberhaft an dem Trainings-Plan fürs kommende Jahr.

Sportliche Einlage von Lissi und Herrn Timpe

Phase 6: Abbau und Heimreise

Mir ist eigentlich erst beim Abbauen (selbstverständlich erst NACH offiziellem Messe-Ende um 18 Uhr! Wer will denn schon €250,- Strafe für vorzeitigen Abbau zahlen? Außerdem: ich hatte konstruktive Gespräche bis 18.05 Uhr, jawoll!) und Einpacken aufgefallen, dass ich in diesem 11. Jahr nun tatsächlich 23 eigene Produktionen im Angebot hatte – und habe!

Für mich selbst eigentlich kaum zu glauben, also gönne ich mir die eigene kreative Fülle und zähle hier einmal auf: das wären dann 15 Produktionen meiner Oper légère. Dazu kommen die „klassischen Programme: „Mariengrüße“ und „Oper & Orgel“, dann die Literaturprogramme „Hölderlin – Wem sonst als Dir“ und „Goethes Märchen“. Mein Doris-Day-Programm „Que sera“ und die beiden Formate mit dem Gitarristen Carsten Linck: „Es tönen die Lieder – Volkslieder zum Mitsingen“ und „Das gute Stündchen“. Und mein wundervolles Kinderprogramm zu „Rosepins Welt“ hat auch Interessenten gefunden … das macht – nach Adam Riese (auch eine geliebt verstaubte Floskel!) 23 Produktionen. DREIUNZWANZIG – ja, bin ich denn deppert?

Alle meine Flyer schmücken meinen Stand (zu singen auf die Melodie von „Alle meine Entchen“)

Phase 7: Nacharbeiten & Bilanz

Es gibt neben angenehmen und lustigen Kollegen, neben verständnisvollen und unterstützenden Veranstalter*innen aber auch echt schräge Vögel auf der Inthega – zumindest auf dem Parkplatz davor! Dieser Herr Adebar fand den weißen Mini toll – mindestens so toll wie der verliebte Schwan das Tretboot. Und er flog nicht weg – im Gegenteil: ein paar Schritte ist er ganz langsam mit mir gestakst und ich überlege immer noch, was mir diese Begegnung sagen könnte …

Storch auf Autodach
Dieser Adebar ist sonderbar – sehr sogar

Nun denn, für uns geht es jetzt wieder nach hause: Auto ausladen, alles wieder verräumen. In den kommenden Tagen und Wochen gilt es dann, all die netten Gespräche, die geplanten und angedachten Auftrittsmöglichkeiten, die neuen Kontakte nachzuarbeiten. Ich gebe zu: dies zählt nicht zu meinen ganz großen Stärken, denn meistens fällt mir schon die nächste Idee, ein nächstes Projekt vor die Füße.

Aber ganz ehrlich: wie, meinen Sie, käme ich sonst auf 23 Programme in 11 Jahren? Auf diese Schnapszahl genehmige ich mir jetzt einen, vielleicht sogar einen Doppelten – PROSIT!

 

 

 

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