Zwischenblick September – Oktober 2021

Bunt sind schon die Wälder, gelb die Stoppelfelder! Hurra, es beginnt wieder die Zeit, auf dem Sofa gemütlich eingekuschelt, warmen Kakao zu trinken. Ich schaue aus dem Fenster: die Blätter taumeln von den Bäumen, ab und an zerrt der Sturm an den Ästen, dann tanzen die Blätter noch ein bisschen doller. Die Amseln sitzen in meinem Weinstock und hauen sich die Bäuche voll mit den heuer wirklich winzig kleinen Trauben, die ich ihnen recht eigennützig und von Herzen gönne. Es ist Erntedank.

Mein persönlicher Erntedank

Und ich sage Dank! Ich durfte heute mit dem Organisten und Kantor Stephan Peller in der wunderschönen ev. Erlöserkirche zum Gottesdienst musizieren. Und das Besondere daran: es kam meine kleine Magdalenenmesse quasi zur Welturaufführung. Ja, ich habe wirklich viele unterschiedlichste Sachen geschrieben und komponiert und entwickelt und mir ausgedacht und grad so drauf los phantasiert und dann sortiert im vergangenen Jahr – ich war fleißig. Punkt. Und wenn sie auch noch so klein und schlicht ist, meine Messe – für mich war das heute ein wahrhaft erhabenes und erhebendes Geschenk – Erntedank.

Was für ein Glück, dass ich im kommenden Monat gleich wieder mit Stephan Peller antreten darf: „Orgel & Oper“ heißt es dann und wir schwingen uns am 6.11. „Auf der Andacht heiligem Flügel“ und sattem Orgelklang mit bezaubernden Gebets-Arien aus meinen Lieblings-Opern hinauf in wahrlich tröstliche Sphären. Alles fügt sich langsam und irgendwie pendelt sich die vielfältige Unruhe dieses Sommers aus und ein. Wie passend, hatten wir doch gerade erst

Tag- und Nachtgleiche und Sankt Michael

Am 21.9. waren Tag und Nacht also genau gleich lang. Jetzt beginnt sie wieder, die dunkle Jahreszeit. Kein Wunder, dass da eine Heiliger mit Flammenschwert antreten muss: Sankt Michael. Zu diesem 29. September gibt es diverse Bauernregeln: „Sankt Michel zünd’s Licht an“. Das mache ich jetzt auch gerade, denn die Dämmerung kommt so schnell, dass ich meinen Kakao-Becher gleich nicht mehr sehen kann. Und vor meinem Fenster, hoch droben am Himmel zieht eine langer Zug Gänse gen Süden. Ihr Rufen ist weithin zu hören. Dazu sagen unsere Bauern: „Sind Zugvögel an Michaeli noch hier, haben bis Weihnachten lind Wetter hier.“ Aha, das wollen wir doch mal sehen. Ja, ich liebe es sehr, mich in diesem festen Gefüge der wechselnden Jahreszeiten zu bewegen: Auf jede noch so linden oder kalten Winter folgt ein Frühling. Neues Leben erwacht und die Natur keimt und erblüht. Zum Sommer reift die Frucht und jetzt – jetzt ist Erntezeit! Es ist Herbst und unweigerlich wird in ein paar wenigen Wochen wieder der Winter vor der Tür stehen (Ich habe tatsächlich schon die ersten Adventskalender in den Geschäften gesehen!)

Noch ein kleiner Seitengedanke zum Sankt Michael, dem Erzengel, von dem sie sagen, er habe den feuerspeienden Drachen besiegt. Welche Urbilder sind darin verborgen? Die Angst vor den Ernte vernichtenden Herbst-Gewittern? Ich muss an die Insel La Palma denken, an die feuerspeiende Cumbre vieja. Es sind diese Urgewalten von Mutter Natur, die dem Menschen Angst machen. Wenn es nämlich genau das nicht mehr gibt:

Rückzug und Sicherheit

Vielleicht ist auf meinem persönlichen Erntedank-Foto nicht jedes Detail zu erkennen: ich habe Kastanien, einen Apfel, sogar drei kleine Schlafäpfel, sowie Salz, Linsen und Blüten angerichtet. Als ich fast fertig war mit meiner meditativen Arbeit kamen aus der zentralen Dahlienblüte diese zwei kleinen Schnecken gezogen – eine über die andere hinweg, als gäbe es nicht genug Platz auf dieser prachtvollen Blüte, um still aneinander vorbeizuziehen. Jede hat zwar ihr eigenes Haus, ihren Rückzug, doch beide suchen die Nähe zum andern, so kommt es mir in den Sinn.

Wie oft halte ich inne, wenn ich auf den Straßen einem Menschen ohne Obdach begegne. Kein sicheres Dach über dem Kopf zu haben, aus welchem Grund auch immer – dieser Gedanke bedrückt mich zutiefst. Oft beginne ein Gespräch, lausche der Geschichte und versuche zu lindern, wie es mir eben möglich ist. So habe ich schon vor geraumer Zeit begonnen, mich für Menschen ohne Obdach zu engagieren, speziell für Frauen in meiner Stadt. Mit der CSE  habe ich eine Organisation gefunden, die einen, wie ich finde, großartigen „Stufenplan“ entwickelt hat, um in Notlagen zu helfen. Ich freue mich sehr, dass ich auch in diesem Jahr wieder für die Sisters of Comedy am 8.11. im Essener Stratmanns Theater antreten darf, um die Spendentrommel ganz gehörig zu rühren, für all diese Frauen, denen es längst nicht so gut geht wie mir.

Danken ist das Atmen der Seele

So hat es Pfarrer Greifenberg heute im Gottesdienst zitiert. Dieses Bild klingt sofort tief in mir nach. Meine Seele atmet. Als ich später die Kirche verlasse, komme ich an einem Lindenbaum vorbei, und ehrlich: ich habe noch nie so riesige Blätter an einer Linde gesehen – sie sind herzförmig. Unterm Lindenbaum, sagt man, begegnet man sich in herzlicher Nähe. Direkt daneben winken diese prächtigen Weißdornfrüchte. Der Weißdorn ist ein gutes Herzmittel, stärkend und ausgleichend –  gereift zur Tag- und Nachtgleiche. Ich liebe die Sprache der Pflanzen. Ja, die Seele kann nur atmen, wenn das Herz weit ist … Beseelt gehe ich nach hause und beginne zu schreiben. Mehr zum meinen Konterterminen finden Sie hier.

Jetzt, zum Abend hin, ist der Himmel doch noch einmal aufgerissen. Die untergehende Sonne gießt zum Abschied noch einmal all ihre goldorangeroten Farbtöne über die Wolken. Der Himmel brennt. Danke Sankt Michael, hast das Licht angezündet. Und da sehe ich es: Die Amseln danken für die Trauben mit purpurrotem Vogelschiss. Ich denke zum einen an den Dünger, für den mancher viel Geld zahlt, wenn es ihn als „Guano“ im Pflanzenmarkt kauft. Zum anderen an die transformierende Kraft: der Wein vergeht in Kacke und düngt im nächsten Jahr meine Tomaten …

Genug jetzt, ich mache mir lieber noch einen Kakao und verbleibe mit herzlichen Grüßen,

eure und Ihre Franziska Dannheim