Fünf Tipps für kratzfreies Sprechen – Stimmt die Stimme?

Heute gibt es fünf einfache und effektive Tipps für kratzfreies Sprechen, nach der Devise: Stimmt die Stimme, stimmt die Stimmung – und umgekehrt. Jeder Mensch hat eine Stimme. Punkt. Abstimmen, einstimmen, bestimmen – es lohnt sich, kurz über diesen sprachlichen Seitenwege zu flanieren: Die Stimme ist unser Kommunikation-Vehikel Nummer 1. Mit ihr transportieren wir mehr als nur Fakten und Inhalte, ihr Klang gibt Auskunft über Wohlbefinden, Stimmung, Motivation und vieles mehr.

Also was macht ihn aus, den rechten Stimmsitz? Wie können wir die Funktion und vor allem die Ausdauer und Langlebigkeit unserer Stimme pflegen? Ich sage es Ihnen gleich: Die ganze Chose soll und muss Spaß machen! Natürlich und gelassen, wie sommerlicher Frühnebel, der sich bei Sonnenschein aus den duftenden Wiesen enthebt. Ja, ich liebe diese Natur-Bilder, die ein inneres Gefühl von Erhabenheit auslösen. Das faktische Prinzip „Stimmband-Kehlkopf-Muskel“ erreicht vielleicht mein intellektuelles Verständnis, der Mensch ist aber viel mehr als Intellekt.

Irgendwann wurde in jedem Manager-, oder Coaching-Seminar gepredigt, dass eine tiefe Stimme mehr Überzeugungskraft hat. Daraufhin, haben viele – vor allem Frauen – ihre natürliche Stimmhöhe um zwei bis drei Halbtöne heruntergedrückt. Fatal. Und wundern sich seither, dass sie nicht länger als 10 Minuten sprechen können, ohne Räuspern, ohne ein Glas Wasser am Pult oder den obligatorischen Kamillentee, wie ihn angeblich Udo Jürgens vor jedem Konzert trank. Übrigens nicht zur Nachahmung empfohlen, Kamillentee trocknet die Schleimhäute ebenfalls aus. Ich persönlich schwöre auf warmes, nicht zu heißes Ingwer-Wasser.

Jetzt aber zur Stimme und ob es stimmt, was die Sprichwörter sagen: „Mir hat es die Sprache verschlagen,“ oder „Es schnürt mir den Hals zu,“ oder „Da bleibt dir die Luft weg.“ Jeder kann es nachfühlen: Hier ist die Laune im Keller oder Ärger im Anmarsch. Stimmlich klappt da nichts mehr – und daraus lässt sich im Umkehrschluss leicht folgern:

1 Gute Stimmung begünstigt gute Stimme

Damit sind wir bei der Grundvorraussetzung Nummer 1: Entspannung, netter Umgang – mit sich und der Umgebung. Die Muskeln entspannen sich, nichts klammert den Kehlkopf ein mit gelöster Stimmung und möglichst heiter, nicht unbedingt angeheitert.

Alkoholhat leider keinen so guten Einfluss auf die direkten Stimmfunktionen. Er lässt uns vielleicht etwas lockerer den inneren Schweinehund, oder die Klemmgrenze überwinden (wenn es irgendwann doch mal wieder nachts um 2.00 Uhr in die Karaoke-Bar gehen sollte), doch verändert er die Muskelfunktion, die zum Stützen nötig ist und je hochprozentiger das Getränk, desto mehr trocknet es die Schleimhäute aus. Und das wollen wir alles NICHT.

Die Non-Plus-Ultra-Stimmpflege für alle Lebenslagen, alle Tonlagen und überhaupt ist das Gähnen. Wie das funktioniert muss ich kaum anleiten. Sie können dieses Gähnen forcieren, indem Sie den hinteren Gaumen weiten. Stellen Sie sich vor, Sie wollen eine große warme Kartoffel mit möglichst wenig Rachen-Kontakt „hinunterschlucken“. Ein hervorragender Einstieg, gerne auch mit genüßlichem Räkeln verbinden – und: mit Ton – so wie er eben kommt.

Übung 1:

1.1. Atmen: Atmen Sie tief durch. Das heißt: voll ein und und etwas länger aus, bis auch der letzte Lufthauch aus den Lungenflügeln gepresst ist. Es ist nachgewiesen, dass wir Menschen oft nicht nur zu flach atmen, sondern dabei immer einen Anteil „Altluft“ in den Tiefen unserer Lungenflügel zurücklassen. Dadurch kann weniger frische Luft und damit weniger Sauerstoff aufgenommen werden. Bitte mindestens drei mal wiederholen. Sollte Ihnen schwindelig werden, ist das ein Anzeichen von zu viel Sauerstoff. Also: langsamer atmen.

1.2. Gute Gedanken: Stellen Sie sich etwas Schönes vor, etwas Köstliches, Wohltuendes: Einen Teller Spagetti, eine warme Badewanne mit Ihrem Lieblingsbadezusatz oder ein Strauß duftender Fresien – was immer Sie nun mit geweiteten Nasenflügeln schnuppern lässt.

So ein Frühlingsduft will tief in alle Nasen-Nebenhöhlen

1.3. Summen: Legen Sie die Lippen locker aufeinander, die Zähne sollten sich NICHT berühren, also Kiefer auseinander.   Nun summen Sie ein wohliges „Mmmmmhhhhmmmmm“ und zwar genau so, wie es Ihnen aus schierem Genussempfinden an und über die Lippen kommt. Gerne können Sie hier vorsichtig experimentieren, in welcher Höhe Sie loslegen wollen – alles genehm, Hauptsache angenehm!

2 Gute Haltung macht die Stimme locker

Viele Menschen klagen über Rücken- und Nackenverspannungen. Dahinter stecken meist unausgewogene oder fehlende Bewegungseinheiten. Oft ist auch die Seele mit im Spiel. „Das sitzt dir im Nacken“, „Ich hab soooo einen Hals“, „Der bekommt den Kiefer aber auch nicht auseinander“. Wie soll Schönklang die Lippen passieren, wenn davor alles ist klemmt?

Haltung ist ja nicht nur äußerlich – auch innerlich zeigen wir Haltung und bewahren sie hoffentlich auch, wenn es mal stürmisch wird. Aufrichtung ist hier das nächste Stickwort, und aufrichtiges Handeln ist eine wertvolle Tugend.

In den heutigen turbulenten Zeiten ist unser Kampf/Flucht-Modus oft im Dauereinsatz, das heißt wir schnappen nach Luft, atmen aber nicht völlig aus – ich berichtete bereits.

Übung 2:

2.1 Guter Stand(Punkt):Stellen Sie sich hin, verteilen Sie Ihr Gewicht locker und gleichmäßig auf beide Füße. Wenn Sie gezwungen sind, zu sitzen, dann rücken Sie möglichst weit vor an die Kante, um das Becken aufzurichten. Hier gibt es mehr Infos zum Kutschersitz. Gerne beim Zurechtruckeln gähnen!

2.2 Vorwärtsbeuge – Ausatmen: Senken Sie langsam den Kopf zur Brust, beugen Sie den Nacken, dann den Rücken Wirbel für Wirbel, soweit hinter wie es Ihre Beweglichkeit zulässt – dabei immer mit weichen, leicht gebeugten Knien. Dabei atmen Sie aus, so viel Sie können. Wenn die Luft „alle“ ist, kurz innehalten und einatmen, dann geht es weiter nach unten.

Alles locker hängen lassen, vor allem den Kopf

2.3 Aufrichten – Einatmen: Richten Sie sich nun langsam wieder auf – Achtung Schwindel! Wirbel für Wirbel aufrollen, dabei immer darauf achten, dass die Knie elastisch, dh. leicht gebeugt sind. Auch hier gilt: Sind die Lungen voll, kurz innehalten – bitte mit lockeren Schultern – dann weiter ausatmen und die Knie über die Knöchel bringen, dann die Hüfte über die Knie, darüber das Becken – den Kopf dabei immer locker hängen lassen ohne zu forcieren. Dann richten Sie die Schultern auf – und zum Schluss den Kopf.

3 Dehnen und Kneten

Die Haltung zu verbessern und Muskeln aufzubauen ist natürlich immer sinnvoll – für alle Lebenslagen! Wenn es hier aber speziell um die Tonlagen für alle Lebenslagen gehen soll, steht der Stimmapparat im Zentrum: Der Kehlkopf. Wenn nun verkrampfte Nackenmuskeln oder verklemmte Kiefermuskulatur (denken Sie an den Ausdruck „verbissen an einem Thema gearbeitet“) an diesem empfindlichen Organ zerren und drücken, dann ist er schnell dahin, der sanfte Wohlklang. Da hilft es  ganz kurzfristig, selbst Hand anzulegen.

Übung 3:

3.1 Nacken kneten: Greifen Sie beherzt mit der linken Hand zwischen Hals und rechte Schulter – in dem meisten Fällen wird Ihnen das schon das erste Stöhnen entlocken – trotzdem: dranbleiben! Dann darf die linke Partie von der rechten Hand geknetet werden. Kreisen Sie  im Anschluss behutsam mit beiden Schultern 5 mal nach hinten und 5 mal nach vorn.

Ja, ich kann wirklich blöde gucken – als Kind hatte ich den Beinamen „Kuhauge“ – jetzt weiß ich endlich, warum

3.2 Kiefergelenk lösen: Nehmen Sie Ihr Gesicht in beide Hände, als würden Sie sich auf dem Tisch aufstützen wollen. Ihre Ohrläppchen sollten zwischen dem Zeige- und Ringfinger liegen. Nun kreisen Sie vorsichtig mit allen Fingerkuppen. Steigern Sie dies, solange es Ihnen angenehm erscheint und kneten Sie schließlich die Kiefermuskulatur ordentlich durch. Und Gähnen nicht vergessen!

3.3 Grimassen schneiden: Das ist überhaupt das Größte und für viele das Schwierigste. Große Grimassen schneiden, sich mal richtig gepflegt zum Deppen machen. Aber keine Angst, bei Ihnen guckt jetzt ja keiner zu. Also los geht’s: Knautschen Sie Ihr Gesicht so klein zusammen wie es nur geht, so sauer wie Ihnen eine Zitrone nur vorkommen kann, 5 Sekunden halten.

Richtig feste Krampfen, danach wird’s um so lockerer

Danach bitte Augen und Mund aufreißen, als hätten Sie gerade einen Sechser im Lotto – mit Zusatzzahl! Dann ziehen Sie bitte ein extremes Schnütchen und kreisen mit diesen gespitzten Lippen 5 mal rechtsherum und 5 mal links herum. Damit tun Sie direkt auch etwas für Ihre Gesichtshautstraffung – egal ob mit oder ohne blauer Dose.

4  Körperspannung

Richtig gelesen: Spannung – Die brauchen wir zum Sprechen. Vorhin sprach ich von Entspannung und die betrifft unseren gesamten Apparat, um unerwünschte Verspannungen und Anspannungen – körperlich wie seelisch – zu lösen. Sprechen und Singen ist eine zutiefst körperliche Angelegenheit und je nach Intensität durchaus sportlich.

Ein Studie brachte den Vergleich, dass das Singen einer Opernarie für den Tenor soviel Kraft erfordert, wie das Schippen von soundsoviel Zentnern Kies. OK Tenor … aber das ist ein anderes Thema. Bleiben wir beim Sprechen: dafür benötigt es gesunde Spannung, und zwar im Bereich des Zwerchfells.  Quasi die Basis jeder Stimmfunktion:

Im Folgenden atmen Sie bitte tief ein, dann lachen Sie 3 mal vorsichtig – möglichst ohne Stimme. Ja, Haha – sehr witzig – lachen Sie bitte. Das was Ihr Bauch dabei macht ist Zwerchfellarbeit, ungenau die wollen wir: die Stütze! Bei den folgenden Übungen kommt die Stimme selbst noch nicht zum Einsatz, lediglich die Atemfunktion. Und die ist immens wichtig!

Übung 4:

2.Ffff – Ffff – Fffffft: Atmen Sie durch die Nase ein (Gähnen ist immer gut, Sie erinnern sich) Formen Sie nun Mund und Lippen locker zum „F“. Erinnern Sie sich nun an den Husten-Impuls und lassen Sie die Luft stoßweise als „F“ zwischen Lippen und oberen Schneidezähnen hervor strömen. 2 mal kurz und dann lein langes „Fffffffft“ Das „T“ am Ende gibt einen klaren Schluss-Impuls. Bitte 3 mal wiederholen.

3. Sch – Sch – Schschschscht: Ich bin mir sicher, Sie alle haben in Ihrem Leben schon mal „Eisenbahn“ gespielt. Also den Klang der guten alten Dampflok imitiert. Da der Luftstrom hier nun nicht so schmal geführt ist, wie beim „F“, kommt es bei dieser Übung noch mehr darauf an, dass Sie mit Ihrem Zwerchfell den Luftstrom „stoßen“. Ebenfalls 2 mal kurz und dann ein langes „Sch“. Bitte 3 mal wiederholen.

4. Ha – Ha – Ha: Ja, allein der Begriff „Lachyoga“ hat schon für einige Lacher gesorgt, aber ehrlich: Wir kennen das alle: Nichts entspannt so sehr, wie Lachen! Hier ist natürlich wieder das Zwerchfell am Start. Versuchen Sie es einfach. Durch alle Tonhöhen und dann auch durch alle Vokale: „Ha-ha-ha“, „He-he-he“ (wie gehässig können Sie klingen?), „Hi-hi-hi“ (wie albern ist diese Übung bitte ?! Und wie hoch ist wohl Ihr stimmliches „Mäuschen-Register“ – darüber werde ich demnächst schreiben.

Die hat ja gut Lachen, die Dannheimerin

5 Stimme & Klangraum

Unsere Sprache besteht ja aber nicht nur aus den Zischern, sondern auch aus den Klingern, den Vokalen. Und schon allein das Wort ist eine wundervolle Stimmübung: VOkAl, die O – A -Öffnung, wie ich finde die Königsdisziplin, denn der Mund, der Kiefer will dafür locker geöffnet werden. Genau das ist oft das Problem – siehe Übung 3.

E, I und U sind die „kleineren“ Laute. Mit ihnen lässt es sich gut üben, die Stimme „aus dem Hals“ zu holen und „in die Stirn“ zu platzieren.

Übung 5:

1 Mmmmhm: Diese Übung kennen Sie schon vom Beginn. Jetzt düfte es Ihnen schon leichter fallen. Also experimentieren Sie kühn drauf los: Welche Genusstonhöhe würde Ihnen nun der Duft von frischen Vanillegipferln entlocken? Wie tief können Sie den stimmlichen Bogen entspannt nach unten gleiten lassen? Immer im Genuss-Modus, bitte.

2 Worte mit „A-O“: Ohne hier nun Werbung für einen Süßigkeitenhesteller machen zu wollen, Das Wort „Maoam“ bietet sich einfach an. Nichtnur weil es sich als Anagramm von vorne wie von hinten gleich lesen und sprechen lässt, sondern weil es eine ideale Klangfolge bietet. Probieren Sie es aus: Maaa-oooo-ammm! 3 mal wiederholen.

Danach weitere 3 mal mit zugehaltener Nase. Dadurch kommt dir Stimmsitz weiter in den Gesichtsbereich, und genau da soll er hin: raus aus dem Hals, rein in die „Maske“ wie Sänger*innen es nennen – eine Assoziation zu den venezianischen Gesichtsmasken! Wenn Ihnen andere Worte wie „Sonnenaufgang“ oder „Orangenmarmelade“ mehr zusagen – gerne! Ihrer Fantasie sei hiermit freier Lauf!

3 Worte mit „E-I“: das selbe Spiel können Sie nun mit Worten wie „Eierspeise“, „Schreinermeister“ oder „Heiterkeit“ erproben. Im Anschluss versuchen Sie doch mal, ein Wort auf einer Tonhöhe zu sprechen, also ohne Modulation. Als Steigerung können Sie dann noch dieses eine Wort nun lauter anschwellend und leiser abschwellend Sprechen, aber bitte weiter auf einer Tonhöhe sprechen.

Kuckuck!

Außerdem möchte ich Ihnen hier den „Kuckuck“ ans Herz legen, also in die Stirn. Bitte tönen Sie „Kuckuck“ – wie im gleichnamigen Lied, aber eben nicht „aus dem Wald“, sondern imaginär auf Höhe Ihrer Nasenwurzel.

Und nicht vergessen: Atmen, lächeln und weiter atmen. Das Ganze soll ja Spaß machen!

Fazit

Kratzfreies Sprechen kann gelingen und Spaß machen UND schmecken. Hier folgen jetzt noch meine Erste-Hilfe-Tipps, die ich in den letzten Jahren erhalten, getestet und für gut befunden habe. OHNE Anspruch auf allgemeine und medizinische Gültigkeit:

  1. Bei Kälte nicht durch den Mund atmen,
  2. Warmes Ingwerwasser und Ricola-Kräuterbonbon gleichzeitig im Mund, mein Favorit
  3. Werthers Echte, machen den Stimmraum geschmeidig, empfahl mir ein Sopran
  4. Eine kalte Kola direkt vor dem Auftritt macht die Stimme stabil, empfahl mir ein Bariton.
  5. Medizinisch professioneller: GeloRevoice, die Lutschpastillen legen einen „Schutzfilm“ übers strapazierte Gewebe.

Ich mache keine Schleichwerbung, werde dafür auch nicht bezahlt, schreibe nur, was ich will (ganz gemäß meinem Motto des Jahres), was Sinn macht – und Spaß!

Im Ernst: Das ist eine Übung aus dem Gesichts-Yoga!

Wie gut und sinnvoll und gesund es ist, sich der eigenen Stimme noch intensiver zu widmen, und vielleicht doch mal übers Singen nachzudenken, dass können Sie hier in dem Beitrag vom Bayrischen Rundfunk nachlesen.

Und wenn Sie jetzt „Blut geleckt“ haben und mehr wollen, dann kommen Sie doch in unser Mitsingen-Konzert „Es tönen die Lieder“ – ab Frühjahr wieder auf dem Spielplan. Sogar das Jodeln könnten Sie mit mir lernen – und spätestens seit Loriot wissen wir ALLE, dass es sinnvoll ist, ein Jodeldiplom zu erlangen, um „was Eigenes “ zu haben.

In diesem Sinne: Ti-jo-lla-di-jo-rula-hui-di! Gerne bei Sonnenauf-, UND -untergang!

Ihre Franziska Dannheim