Zwischenblick Oktober – November 2023

Draußen stürmt es, heute Nacht soll sich Orkan Ciarán über dem Atlantik entwickeln, habe ich gerade gehört.

Ich bin für ein paar Tage in Frankreich an der Küste, Haute de France, direkt am Ärmelkanal – gegenüber konnte ich heute am Mittag noch bei gutem Wetter die Küste Englands mit ihren strahlenden Kalkfelsen sehen.

Prächtig scheint die Sonne – noch …

Jetzt rüttelt der Sturm an den Fenstern. Heute Nacht ist Samhain. Selten stimmt meine Überschrift „Zwischenblick“ also so genau, wie heute, an diesem 31. Oktober 2023. Morgen ist der 1. November, Allerheiligen, übermorgen Allerseelen, so gedenken die Katholiken. Heute ist für die Protestanten der Reformationstag, an dem sie Luther gedenken oder danken, dass er vor 506 Jahren seine 95 Thesen an das Wormser Portal genagelt hat.

All das berührt mich wenig. Ich habe mich irgendwann auf gemacht, nach den alten europäischen Wurzeln unseres Glaubens und unserer Tradition zu suchen und habe für mich ein sinnvoll-sinnliches und stimmiges im keltisch-germanischen Jahreskreis mit seinen acht Festen gefunden.

Acht Speichen des Rades

Viele sind im Lauf der Zeit in den christlichen Kontext übernommen worden. So liegt unser Weihnachten auf oder knapp neben der Wintersonnwende. Mariä Lichtmess überlagerte Imbolc, Walpurgis ist heute bekannter als Beltane und statt der  Kräuterweihe zu Mariä Himmelfahrt läutet Lamas die Erntezeit im August ein.

Das vierte Mondfest – und ursprünglicher Neubeginn – ist Samhain.

Was, bitte schön, soll jetzt also Samhain sein? wird die eine oder der andere fragen. Jetzt haben wir uns über 25 Jahre fast bis zum Überdruss daran gewöhnt, dass die komplette Marktwirtschaft ein Fest namens Halloween vereinnahmt hat mit Kürbis, Gruselmasken und „Süßes oder Saures“. Jahrelang hatte ich an diesem 31.10. immer ein paar Tüten Süßigkeiten parat, damit klingelnde – und nicht immer fantasievoll verkleidete – Kinder mit oder eher OHNE Verslein etwas in ihre mitgebrachten Tüten und Taschen verstauen konnten.

Heute verbringe ich diesen 31. lieber in angemessener Andacht. Gerne in der Natur. Und gedenke meiner Ahnen, meiner Vorfahren, aller die vor mir kamen und die nach mir kommen, Kinder meiner Kindeskinder. Ich bin Teil einer Reihe, Glied einer Kette, und an diesem Tag will ich besonders in mich gehen, um zu raisonnieren, was war, was war gut, was mache ich beim nächsten mal vielleicht anders, was hätte ich gerne noch und wofür bin ich dankbar. Dankbar, dass ich bin – und das habe ich nunmal ganz unzweifelhaft meinen Vorfahren zu verdanken!

Reiche Ernte im Oktober

Ja, die Ernte in diesem Oktober war wirklich wunderbar. Beruflich, musikalisch habe ich meinen zarten neuen Weg weiter aufgenommen, das heißt, mein Musikalischer Reisebericht ist als abendfüllendes Format sehr gut angenommen. Das neue Programm „Whitney – ein Schwanengesang“ mit Markus Stollenwerk geht wunderbar voran. Am 8.Januar wird im Essener Eulenspiegel die Premiere sein, und darauf freue ich mich wirklich sehr. Weitere Termine sind schon in der Verhandlung.

Foto aus der „Whitney-Reihe“, Fotograf:  Hajo Müller

Außerdem gehen der Gitarrist Carsten Linck und ich mit unserem Programm „Das gute Stündchen“ den nächsten Schritt und werden am kommenden Wochenende im Rahmen eines kleinen, feinen Werkstattkonzerts ein Demo-Video produzieren, um damit das Programm gezielter bewerben zu können. Foto-„Beweise“ folgen im nächsten Artikel

Und was die pflanzliche, physisch-irdische Ernte angeht, bin ich von meinem Wald mit einer prachtvollen Menge Pappelknospen beschenkt worden. Das gibt beste Salbe und wirksames Erkältungs-Abwehrspray – sicher gut brauchbar in Herbst und Winter.

Pappelknospen enthalten ein köstlich duftendes Harz, das antibiotisch und antiviral wirkt.

Was bringt der November

Der November ist traditionell der Monat, in dem den Verstorbenen gedacht wird: Samhain/Allerheiligen erwähnte ich bereits, dann folgt noch der Toten- oder Ewigkeit-Sonntag. Hier waren es Luthers Nachfolger, also die protestantische Kirche, die vor nicht all zu langer Zeit diesem Feiertag die schwermütige „Toten“-Konntation abmildern wollte und zur „Ewigkeit“ hin plädierte.

Wenn ich mich recht erinnere, habe ich mich bereits vor einem Jahr eher für die klare Toten-Ansage ausgesprochen. Ich denke, es wird in unserer Gesellschaft viel zu selten und viel zu wenig über den Tod als unabdingbaren Teil unseres Lebens gesprochen. Überall soll die Haut ewig jung aussehen, die Mode jugendlich erscheinen. Ernst gemeinte Sprüche, wie 50 ist das neue 30 oder jetzt sogar 70 ist das neue 50 – ehrlich, das lehrt mich eher das Fürchten!

Es ist sicher unbedingt begrüßenswert, dank unserer medizinischen Möglichkeiten die Gesundheitsspanne der Lebensspanne anzupassen – und wir werden halt immer älter – aber sterben tun wir doch alle, ganz sicher.

Hier lerne ich gerade wirklich viel Sinnvolles und Neues

Ich habe mich also entschieden, meine bisherigen Erfahrungen als Trauerrednerin nun auszubauen und mit einer Ausbildung zu zertifizieren. Und ich kann nur sagen: alle Lerninhalte, mit denen ich mich bisher beschäftigen und auseinandersetzen durfte, alles Hausaufgaben, die ich bisher eingereicht habe, haben sinnstiftende und wertvolle neue Impulse angestoßen. Ich bin sehr zufrieden, freue mich auf die weiteren Lektionen und Module und werde hier nächstes über meine Fortschritte berichten.

Über den Tellerrand

In diesem Jahr verlief Manches anders als geplant, darüber habe ich schon mehrfach berichtet. Mal überraschend, mal beängstigend, mal erfrischend und stets im Fluss, im Wandel – ja, so oder so ähnlich werde ich dieses Jahr 2023 im Rückblick vielleicht einordnen oder betrachten können. Und wie passend, dass nun auch noch ein Orkan vor der Türe steht, weht.

Ob heute Nacht hier an der französischen Küste im Haute de France oder an anderen Orten dieser wunderschönen Erde – an so vielen Orten entwickeln sich gerade die Orkane – menschengemacht. Als hätte diese Gattung derzeit völlig vergessen, völlig vermessen … ja was eigentlich? Aus dem Gleichgewicht, das sind viele von uns derzeit, das scheint die allgemeine Menschenwelt-Lage derzeit. Aber es sind ja nicht nur aktuell lebende Menschen, die diese Erde, diese Welt bevölkern.

Zum großen Glück gibt es da die Steinwesen, die Pflanzenwesen, die Tierwesen, Vierbeiner, Vielbeiner, Zweibeiner, die mit Federn, die mit Schuppen, die mit Fell. Es gibt Vater Sonne, Mutter Mond und all die Sternebrüder und Schwestern da draußen, die mit liebevollem Blick auf diese kleine blaue Murmel namens Erde schauen und sich fragen: „Was machen diese dämlichen felllosen Zweibeiner da unten eigentlich? Wissen die nicht, dass sie nie aus dem Paradies vertrieben worden sind?“

Da kündigt er sich bereits an, der Orkan

Jetzt geht es in die dunkelste Zeit des Jahres. Die Uhren haben wir am vergangenen Wochenende wieder die Stunde zurückgestellt, und damit sogar eine Stunde Schlaf zusätzlich geschenkt bekommen.

Möge sich der Zeiger jeglicher Uhren tapfer weiterdrehen, mögen die Winde weiter wehen, alles im Fluss, alles in Bewegung und wir mitten drin. Lasst uns nie vergessen, dass wir selbst es sind, die die Welt zum Guten wandeln können. Vielleicht nicht immer im Großen und Ganzen, aber im Kleinen und Feinen ist immer Raum für Schönheit.

Da fällt mir prompt Rilkes Gedicht „Herbsttag“ ein. Einen angemesseneren Abschluss kann ich mir für diesen Artikel nicht vorstellen.

Ich wünsche allen eine angenehme und friedvolle restliche Woche und verbleibe mit herbststürmlichen Grüßen,

Franziska Dannheim

„Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.“

Rainer Maria Rilke

 

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