Mein Trommelbau – von Ahorn, Hirschkuh und Ausdauer

Vor etlichen Jahren keimte in mir der Wunsch, mir meine eigene Rahmen-Trommel zu bauen. Und ich hatte und habe großen Respekt davor. Vor der Trommel an sich, vor dem Vorhaben und vor der Umsetzung. Wen fragen? Woher das Material? Was will ich überhaupt?

Über all diese Fragen sind dann einige Jahre ins Land gezogen und mir war von Anfang an klar: hier wird nichts erzwungen, nichts übers Knie gebrochen, alles kommt, wie es soll und vor allem: wann es darf. Ich hatte mich über unterschiedliche Kontakte zum Thema informiert, wusste also grob, welche Materialen in welchen Arbeitsschritten wie zu verarbeiten wären, aber all diese Theorie war weit weg.

Vom Traum zur Wirklichkeit – Etappe 1

Den Anfang machte dann überraschender Weise tatsächlich der Schlägel. Das erinnert mich selbst an die Geschichte vom Mann, der einen Knopf fand und sich einen Anzug dazu schneidern ließ (sehr frei nach Erich Kästner). Wie dem auch sei:

Bereits im Jahr 2010 hatte ich eine ganze Reihe Obstbäumchen aus Kernen gezogen: Zitrone (sie gab auch den Impuls für meinen ersten Gedichtband Lemonarien), Mango, Avocado, Jakobsfrucht, Kirsche und eben Apfel.

Ein kleines Apfelbäumchen gedieh dann eher mäßig über 10 Jahre in meinem Garten, bis ich den Entschluss fasste, dass es weichen darf, um einer prächtigen Birne namens „Gräfin von Paris“ Platz zu machen.

Was ich da nach dem Ausgraben an Stamm/Geäst/Wurzel-Knupselei in den Händen hielt, brachte mich spontan auf die Idee, daraus den Schlägel zu bauen.

  

Die Wurzel konnte ich zur Brezel runden, in die kleine Astgabel legte einen kleinen, vor langer Zeit gefundenen Wirbel und drumherum kam ein festes Haar-Filzkäppchen. Er liegt wirklich sehr gut in der Hand, der Schlägel, über den Mittelknoten sind beide Enden perfekt ausbalanciert.

Und dann war erst mal Pause.

Irgendwann im Januar 2021 wirkte es weiter: Ich stromerte durch den Wald und klopfte bald hier an ein Stämmchen, bald da an einen Ast und hatte ihn schließlich gefunden: meinen kleinen Ahorn. Anfangs dachte ich, es wäre eine Eiche, aber Ahorn „klingt“ ganz eindeutig – nicht umsonst wird Ahorn viel im Instrumentenbau verwendet.

Doch bevor ich zum Wolfsmond im Januar 2021 dann wirklich mit klopfendem Herzen zur Tat schritt, also schnitt, habe ich mit dieser Naturgabe um Gunst und Segen und die Erlaubnis gebeten.

Zur Tat schneiden, schälen, spalten

So kam das zwölf Jahre alte Stämmchen (habe ich später beim Zählen der Jahresringe entdeckt) zu mir. Was für ein Duft entfaltete sich da beim Schälen. Rinde, Bast und Borke. Glatt und silbrig und dieser Klang! Ein Glück, dass ich mich für den nächsten Arbeitsschritt an den Zupfinstrumentenmachermeister Thorsten Sven Lietz wenden durfte.

In seiner Werkstatt, in der ich mich immer ein bisschen wie in Hogwards Zauberwelt fühle, und unter seiner sachkundigen Anleitung und mit seiner noch fachkundigerer Unterstützung, kamen drei etwa 1 cm starke Mittellatten aus dem Rund hervor.

     

Mir schwebte nämlich vor, drei einzelne Ringe zum Rund zu verleimen. Keine Ahnung warum. Vielleicht in Anlehnung an die drei Nornen Urd, Verdandi und Skuld, die drei Schicksalsgöttinnen unserer germanischen Vorfahren. Vielleicht aber auch, weil die DREI einfach aller guten Dinge sind.

Nach zwei Tagen Hobeln, Schleifen, Glätten und vielen, vielen Gesprächen mit dem unglaublich belesenen, wissenden und holzliebenden Zupfinstrumentenmachermeister – ich glaube, keiner hat diesen Meistertitel so verdient wie Thorsten Sven Lietz! Am Ende des Artikels findet er nochmal Erwähnung – nach diesen zwei wunderbaren Tagen Ende Januar 2021 trug ich meine drei Latten also nach Hause und schmiedete neue Pläne:

Wie werden Latten zum Ring?

Unter Wärme lässt sich Holz biegen, so viel wusste ich. Aber wie genau? Mir kam die Idee, in einem leeren Planzentopf, der etwa den Durchmesser hatte, den ich mir für meine zukünftige Trommel wünschte, vorsichtig ein kleines Feuer zu schüren, damit er langsam gleich mäßig warm wird.

      

Es war wirklich ein Erlebnis, vor diesem warmen Topf zu sitzen, um dann langsam und mit feinem Gespür die Latten um den Topf zu ziehen, maßvoll kräftig, dabei vorsichtig, damit es bloß nicht knackt und nichts bricht. Irgendwann hatte ich es im Gespür, wann das Holz nachgeben will.

Und dann war der Einsatz dreier Spanngurte gefragt.

Ehrlich, ich habe mich nach dem Auskühlen ein paar Tage fast nicht getraut, die Gurte  wieder lösen, aus Furcht, mir könnten die Latten wieder schnurstracks entgegen hüpfen. Aber nein, hübsch gerundet lagen sie vor mir, und dann kam mein Einsatz:

Queen of Holzzwinge

Mit Naturleim wurden meine Heiligen Drei dann verleimt und ich hätte sehr gern noch viel mehr Zwingen gehabt, um wirklich keinen Abstand zwischen den einzelnen Lattenringen übrig zu lassen. Außerdem wären zwei, drei Hände mehr zwischendurch auch ganz praktisch gewesen. Aber die Dannheimerin wollte ja, wie so oft, alles alleine machen – hat sie dann auch geschafft.

 

Für mich selbst fast unglaublich, dass da nun wirklich ein Ahornrahmen vor mir lag. Ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass es nun vielleicht wieder ein Weilchen dauern könnte, und dass ich den Rahmen nicht einfach so „hohl“ und ungeschützt stehen lassen konnte.

Also habe ich ihn mit Wolle bespannt und einen kleinen „wasserblauen See“ hineingewoben. So durfte der Rahmen dann für gute eineinhalb Jahre an meinem Altar stehen. Mein Dank fürs bisherige Gelingen kam in den Wald.

Wer sich aufmacht, die eigene Trommel bauen zu wollen, die muss geduldig sein (nicht unbedingt meine Kernkompetenz) und sollte nicht zimperlich sein. So habe ich mir das gedacht.

Hirschkuh, ihre Decke und das Weihnachtsgoulasch – Etappe 2

Gut, ich war nicht bis aufs Letzte konsequent: ich saß nicht mit dem Jäger auf dem Hochsitz und habe ihm dabei zugeschaut, wie er zielt und abdrückt.

So zeigt dieses nächste Bild auch nicht „MEINE“ Hirschkuh. Hinde heißt sie übrigens, die Frau Hirsch.   Es gibt die wundervolle Sage, dass es einstens die Hinde war, die ihre Herde über die Beringstraße in die neue Welt geführt hat. Mutig, ausdauernd und fürsorglich. Sehr gute Qualitäten, mit denen es sich zu verbinden lohnt, wie ich meine.

Wenn ich es recht betrachte, war mir im Innern immer klar, dass ich gern eine Hindendecke wollte. Habe mir aber immer gesagt: alles kommt, wie es soll. Ob nun Reh, Hirsch oder Gams – in jedem Fall ein Wildtier, so habe ich es erbeten. Zurück zum ersten Bild in dieser Reihe: Es zeigt eine überhaupt nicht wildlebende Hinde, die ich im Vorfeld öfter im Wildgehege besucht habe.

     

Und dann war es plötzlich wieder soweit: Eines sonnigen Novembermorgens 2022 kommt der Nachbar und Schnapperwirt Andi Stöger mit dem kleinen Unimog aufs Grundstück: „Da hast du deine Hirschdecke.“ Plumps, da lag sie auf der Wiese. Hilfe – und was jetzt?

Zum Glück gab er mir die Telefonnummer unseres ortsansässigen Sattlers Jakob Pauli. Meine Rettung! (Bild in seiner Werkstatt ganz am Ende des Artikels).

Ein wunderbar feiner Mensch und Handwerker und genau der richtige zum rechten Zeitpunkt. Ordentlich zusammengefaltet habe ich die magische Decke, sie war gefühlt noch warm und voller Leben, wie in einer kleinen Prozession andächtig zu ihm getragen.

Auf dem Weg bin ich noch zu ihrer „Trägerin“gepilgert. So würdevoll das beim Schlachter eben geht, hab ich der nackten Hinde Dankbarkeit und Ehre erwiesen. In der puren Anatomie zeigt sich die Schönheit der Natur auf besonders eindrucksvolle Weise. Wirklich ein Kunstwerk! Außerdem habe ich dabei erfahren, dass sie den Schnapper-Gästen zu Weihnachten ein köstliches Gulasch werden würde. Wohl bekomm‘ es allen!

Ich mache keinen Hehl daraus: auch wenn dieses Tier ein unvergleichlich schönes Leben in den Gebirgswäldern der Voralpen geführt hat, und der Jäger – siehe Einschussloch – seinen Auftrag auch vorbildlich ausgeführt hat, so ist da dennoch dieser Akt der Grausamkeit, der nicht zu leugnen ist.

Mit Jakob Pauli fand ich einen Menschen, der dem Tier und dem, was es uns gibt (Haut, Leder Fleisch etc.) mit Respekt und Würde begegnet. Er half mir, die Decke komplett zu entfleischen, zu entfetten und eingesalzen, damit sie fein trocknet. Leider habe ich vor lauter Aufregung vergessen, ein Foto von diesem Prozess zu machen.

Danke und Pause – wie geht es jetzt weiter?

   

Anschließend ging’s für meine Hindendecke auf  Reisen zum Gerber Beuleke, auf dass eine Rohhaut aus ihr werde.

Und so zogen wieder knapp vier Monate ins Land und ich habe mich ehrlich ab und an gefragt, ob ich jetzt nicht mal mehr Nachdruck im Vervollständigen und Abschließen dieses Herzensprojektes an den Tag legen sollte.

Also habe ich mich wieder im Internet umgeschaut, wer hierzulande welche Trommelbaukurse anbietet, doch irgendwie hat mich nichts recht angesprochen.

Alles fügt sich der Geduldigen – Etappe 3

Eines Februartages 2023 war dann wieder der Newsletter von Alexa Szeli in meinem E-Mailfach. Über diese Post freue ich mich immer besonders, weil sie jedes Mal, wirklich jedes Mal ein spannendes Thema, eine tiefgehende Inspiration oder eine Denkanstoß für mich parat hält. In dieser Post schrieb sie von dem anstehenden Trommelbaukurs im Harz. Ja wunderbar!

Genau dieses Wochenende hatte ich frei, was für ein gelungener Anlass, Alexa persönlich kennen zu lernen, in den mir bis dato recht unbekannten Harz zu reisen und meine Trommelprojekt zum Abschluss zu bringen. Sogar meine Rohhaut kam genau rechtzeitig aus Hessen wieder bei mir an! Alles fügt sich.

Die Kursleiterin Kathrin Gräbnitz war die beste „Hebamme“, die ich mir hätte wünschen können. Mit tiefer Ruhe stellte sie uns 6 Teilnehmenden die unterschiedlichen Schnür-Möglichkeiten vor und hatte für mein besonderes und gesondertes „Eigenmaterial“ immer ein geduldiges Ohr und die passende Idee.

   

Jetzt hieß es also, aus meiner 163cm langen, brettharten Rohhaut das passende Stück für die Trommeldecke auszuschneiden, sowie ca. 9m „Schnur“ für die Verspannung. Neun Meter lang immer hübsch gleichmäßig einen Zentimeter breit im Spiralweg aus dem Rücken meiner Hinde zu schneiden – das hat etwas sehr Meditatives, bis das Handgelenk irgendwann streikt.

Und dann kamen Decke und Schnur in den großen Zuber Wasser, um gründlich einzuweichen für den morgigen Tag.

Über Nacht kam tatsächlich ein ordentliches Unwetter vom Himmel und ich dachte mir im Stillen: da schau her, der große Trommler begrüßt unsere zukünftigen Trommeln.

Mit Donner und Doria – spannend

Eine klatschnasse, butterweiche Haut kam dann anderntags aus dem Bottich. Jetzt konnte ich die schöne Maserung, diesen Nackenstreifen, der direkt über die Mitte meiner Trommel verlaufen soll, erkennen. Das neun Meter lange Schnürband erinnerte mich in der Konsistenz jetzt stark an kalte Bandnudeln – also EINE Bandnudel von 9 Meter Länge.

Wie sollen diese 9 Meter bitte strukturiert durch die 24 Tags zuvor gestanzten Löcher geführt werden ohne den berühmten Bandsalat zu fabrizieren? Leises Nervenflattern kündigte sich an.

      

Auch hier erwies sich das ruhige Gemüt und die souveräne Versiertheit von Kathrin als Segen. Ausgestattet mit bestem Handwerkszeug konnte jede von uns noch die eigene Note einbringen, sei es, mit einem gasbetriebenen „Brenn-Peter de luxe“ die Rahmeninnenseite zu verzieren, oder mit Bändern und Holzperlen noch das Geflecht ergänzen, oder eben einen Schlägel bauen, wer noch keinen hatte.

Irgendwann waren wirklich alle Bänder durch alle vorgesehenen Löcher gezogen und alles mit Kraft und Ausdauer Zentimeter um Zentimeter nachgespannt. Aber eben noch feucht und irgendwie „wabbelig“, von Trommelklang nicht die geringste Spur!

Aber es hieß auch klar: Finger weg! Nicht spielen, das verträgt sie gar nicht, die feuchte Trommel.

Trocknen im Nachtwind und Weihe

Weiterhin war also Geduld angesagt und wir hängten zum Abend hin die geschaffenen Trommeln zum Trocknen unter den Dachstuhl und am nächsten Tag wurden sie dann in einem sehr schönen Ritual geweiht.

Für mich und meine Trommel ging es auf dem Heimweg gen NRW dann noch auf eine kleine Spazierfahrt: Wir zwei haben den „Nornenstein“ besucht.

Im Harz strotzt es ja nur so vor mystischen und mythologisch gespickten Orten.

 

Der Nornenstein, der auch „Hamburger Wappen“ genannt wird, ist eine wirklich eindrucksvolle Sandsteinformation. Wie stimmig und rund, diese Reise, die mit meinen drei Holzringen begann, nun bei den drei Nornen zum krönenden Abschluss zu bringen.

Nachtrag und Resümee

Hier kommt nun noch ein „nachträgliches“ Bild vom Sattler Pauli. Ich habe es mir nicht nehmen lassen, ihm das Endergebnis vorzustellen.

Und prompt sind wir auf die Idee zu einem neuen Projekt gekommen. Es hat mit meiner Sommerwanderung „FRANZI GEHT DANN HEIM“ zu tun, ist aber noch nicht spruchreif.

   

Durch Zufall trage ich auf dem Foto den Sweater von Mariela Auccacusi und ihrem Vertrieb Ricchariy Andean Art. Sie ist damit neben dem Zupfinstrumentenmachermeister Thorsten Sven Lietz, der mir derzeit eine Reiseukulele baut, Sponsorin meines kühnen Wandervorhabens im Sommer 23.

Den nächsten Blogartikel werde ich diesem neuen Herzensthema FRANZI GEHT DANN HEIM widmen. Jetzt widme ich erstmal meiner Trommel und ihrem außergewöhnlich schönen und vollen Klang. Meine Trommel eben.