
28 Sep. September Revue in Fünferschritten
Jetzt liegt die Tagundnachtgleiche hinter uns und es gibt kein Vertun: es ist Herbst. Ich liebe den Herbst, den September. Natürlich muss ich unweigerlich an den wunderbaren Song von Harry Belafonte denken, DEN Septembersong Try to remember. Getragen von einer wunderbaren Melancholie, wie sie dem September im Blick auf die beginnende Dunkelzeit, innewohnt. Also auch eine gute Gelegenheit, zurückzublicken: Wie ist die eigene Ernte denn bisher aufgefallen? Im Großen und Ganzen aber auch im Kleinen und Detaillierten.
Rolle rückwärts – 30 Jahre zurück
Wenn ich die Jahre, die Jahrzehnte Revue passieren lasse, fällt mir auf, dass oftmals im September wahrlich Gewichtiges geschah. Also fokussiere ich mich hier und heute auf meine beruflichen Septembers im Ruhrgebiet – großzügig in Fünferschritten. Fünf ist eine schöne Zahl, alle Rosengewächse haben zum Beispiel fünf Blätter.
Der Monat September verweist auf die Sieben, denn als man einstens noch davon ausging, dass ein Jahr mit der neuen Wachstumsperiode, also im März, begann, da war der September dann ganz folgerichtig der 7. Monat im Jahr. Die Sieben zeigt außerdem oft Zyklen und deren Abschlüsse an.
Nach jetziger Kalenderrechnerei ist der September der neunte Monat im Jahreslauf , also 3×3 und das ist sowieso eine magische Zahl. Also los geht’s: Fotozeitmaschine 30 Jahre zurück:
September 1995:
Da begann ich als Gast am Theater Oberhausen meine allerersten Berufsschrittlein nach dem Wechsel aus dem Schwabenländle ins Ruhrgebiet. Das Stück Liliom, des ungarischen Dramatikers Ferenc Molnar, in der Inszenierung von Klaus Weise. Hier folgt ein Foto aus der Maske, aufgenommen von Thomas Müller.
Hier durfte ich einer meiner bis heute großen Bühnenbegegnungen erleben: Während einer kurzen Probenpause warteten 2 Kolleginnen und ich auf den nächsten Auftritt und unterhielten uns über unsere Namen & Spitznamen. Bei mir war es klar und überschaubar: Franzi oder Fränzchen. Bei der einen Kollegin ähnlich unspektakulär. Die dritte im Bunde nannte ihren Vornamen, Zweitnamen „Maria“ und dann den Nachnamen und ergänzte vollmundig und bezugnehmend auf ihren Zweitnamen: „Seit ich auf der Bühne arbeite, nennt man mich die Callas. Wahnsinn, was für ein Selbstbewusstsein.
Seither fühle ich mich als Königin im Tiefstapeln, ausgewiesene Meisterin des Lichts unterm Scheffel – wie auch immer: diese erste Arbeit mit dem musikalischen Leiter des Theaters Oberhausen, Michael Barfuß, hat mir beruflich sehr viele neue und wunderbare Türen geöffnet, und dafür bin ich ihm sehr, sehr dankbar. Zum Beispiel zum Tango. Tango Nuevo und dann Tango Comedy:
September 2000:
Genau am 1. September 2000 war die Premiere des ERSTEN Programmes mit meiner zu tiefst geschätzten Kollegin Carmela De Feo. Unser Duo trug den vielversprechenden Namen „Coco-lorez“ und das Programm den Titel „Machos y muchachos – von Mackern und Sensitiv-Luschen“. Wir waren unserer Zeit so krass voraus – herrlich! Hier ein Live-Foto-Schnappschuss von der Premiere, aufgenommen von meinem werten Herrn Papa:
Wie man auf diesem (und dem nächsten) Bild sehr gut erkennen kann, war Seriösität und Ernsthaftigkeit nicht unser grundsätzlicher Ausgangspunkt. Wir haben gemacht, worauf wir Lust hatten, haben getextet, bis sich die Balken bogen, ebenso getanzt und schlichtweg sehr sehr viel Spaß gehabt. Dank der gnadenlosen Improvisation-Schule durch meine grandiose Partnerin, bin ich seither von allen Bühnenängsten befreit, Danke – auch für deine bis heute währende Freundschaft, La Signora.
September 2005:
Nach „Machos y muchachos“, vielen Konzert-Auftritten, langen Reisen und dem Bochumer Kleinkunstpreis, brachten wir ein zweites Programm heraus. Konsequent weiterentwickelt hieß es nun „Chicas y Chiquitas„. Hier haben wir den musikalischen Rahmen schon viel weiter ins lateinamerikanische Repertoire erweitert; insgesamt ging die Reise in Richtung „Comedy-Fach“ mit all seiner Schnelligkeit und Lacherquoten-Bemessung.
Heute weiß ich: dafür bin ich zu langsam. Ich will doch nur singen! Also war es eine Frage der Zeit, bis der Körper – also meiner – dem ganzen lustigen Quatsch im September 2005 schlagartig Einhalt gebot.
Heute würde man das wahrscheinlich Burnout nennen. Es gab ein Quartal der Stille, des Rückzugs und der Neuorientierung. Wie es im großen kosmischen Gesetz so üblich ist: Wenn irgendwo eine Türe zugeht, geht irgendwo anders ein Fenster auf: Dieses Fenster wurde für mich die Begegnung mit Jeong-Min Kim und unser neues Format Oper légère – dazu später mehr.
Ich schrieb es im letzten Absatz: Ich will doch nur singen. Das stimmt so nicht – also nicht ganz. Irgendwann fiel mir nämlich ein und auf, dass ich auch sehr gerne schreibe.
September 2010:
Und so kam ich quasi beschenkt zur Veröffentlichung meines ersten Lyrik-Bandes „Lemonarien“ beim Verlag kawe8. Der Titel „Lemonarien“ bezieht sich auf das Keimen eines Zitronenkerns, sein Gedeihen zum Baum, also Bäumchen:
Hier zu sehen auf dem Foto. Diese Serie markiert für mich den Beginn einer sehr schönen beruflichen und freundschaftlichen Verbindung zu dem Fotografen und Illustrator Hajo Müller, der spätesten seit diesem September 2010 mein künstlerisches Schaffen dokumentiert, bebildert, festhält, archiviert. Danke.
September 2015:
Damit komme ich direkt zum nächsten Motiv aus der Foto-Linse von Hajo Müller: Das Titelbild meiner Homepage, die im September 2015 nagelneu von Claudia Roedder von Littlesite online ging. Und neun Jahre lang ohne zu Ruckeln oder zu Zuckeln lief, großartig. Danke Claudia.
Hier an dieser Stelle möchte ich dringend und nach wie vor beglückt und begeistert von meiner „Oper legere“ schwelgen. Denn bereits seit 2007 präsentiere ich mit der wunderbaren Pianistin Jeong-Min Kim nahezu jährlich eine neue Produktion. Im Jahr 2015 kam also unsere NEUNTE Opernbearbeitung auf die Bühne, der Barbier von Sevilla (im Foto weiter unten zu sehen rechts, zweites Motiv von unten).
Für das Jahr 2020 hatten wir dann anlässlich des Beethoven-Jubiläums Großes vor: Beethovens einzige Oper, Fidelio, besser und laut Urschrift Leonore, bei uns dann folgerichtig „Fideleonore“ – auf dem Foto unten das zweite von unten, links. In diesem Jahr 2020 kam aus bekannten Gründe so manches anders. Doch im
September 2020
spielten wir zu einigen auserwählten Anlässen tatsächlich dieses Werk. Wir waren darüber hinaus wahrlich nicht untätig in diesem Jahr:
Mit der Fotografin Monique Urbanski entstanden über die Monate und in akribischer Vorbereitung diese 15 Motive zu den damals 15 Produktionen, so dass wir zum Jubiläum in der darauffolgenden Spielzeit einen prächtigen Katalog zu unserem Format mit all seinen Produktionen veröffentlichen konnten.
Was das Schöne und Nachhaltige an der Sache ist: Jetzt heute im September 2025 sind die Exemplare fast vergriffen, so dass wir uns entschieden haben, zum 20-Jährigen den Katalog neu , wirklich frisch und neu aufzusetzen UND VOR ALLEM um die dann neue und somit 16. Produktion zu ergänzen. Danke Monique. Aber das nur am Rande.
September 2025:
Was gibt es Gewichtiges im September dieses Jahres? Gewichtiges oder Exzeptionelles oder Besonderes? Da möchte ich unbedingt die Zusammenarbeit mit Markus Stollenwerk hervorheben. Wir haben in diesem Monat September nicht nur unseren „Whitney-Schwanengesang“ gespielt, der mir sehr viel bedeutet, weil ich mich mit der Entscheidung, dieses Programm auf die Bühne zu bringen UND im Verlauf der Proben und Aufführungen von einem Gutteil althergebrachter Selbstzweifel befreien konnte.
Nicht, dass ich jetzt alles uneingeschränkt toll finde, was ich da so produziere und in die Welt hinaus posaune, bewahre, aber ich kann jetzt recht klar formulieren, was ich gerne versuchen möchte … Spaß!
Dieses Foto ist während der Video-Produktion mit Nils Stoebke entstanden. Ein Video zu meinem neuesten Klopper: ein Rap über Pyrrolizidin-Alkaloide. Das sind Pflanzeninhaltsstoffe, die wegen ihrer potentiellen Unverträglichkeit immer wieder in aller Munde sind, obwohl kaum einer diesen Namen aussprechen kann. Dem wird hier Abhilfe geschaffen – per Sprechgesang, aufgenommen und produziert von Markus Stollenwerk in seinenPromusicStudios. Voraussichtliche Veröffentlichung: November 2025.
Fazit – Bilanz – Nota bene
Ich kann also irgendwann am Ende meiner Tage, wenn ich dereinst auf der Bahre liegen sollte – und dafür möchte ich mir jetzt das letzte begonnene Drittel, also die kommenden 27 Jahre Zeit lassen – aber wenn es dann, wann immer, einmal soweit ist, dann werde ich mit einem leisen Lächeln sagen: ich habe alle Lieder gesungen und alle Geschichten erzählt.
Geld verdient haben vielleicht die anderen, aber ich habe immer gemacht, wozu ich Lust hatte UND habe nur mit Menschen zusammengearbeitet, mit denen ich gute Lebenszeit verbracht habe.
Ich würde sagen: Top, mehr geht kaum! Siehe Titelbild, ebenfalls zum Pyrrolizidinalkaloide-Video entstanden, danke Nils.
So möchte ich hier zum guten Schluss meiner September-Revue noch einmal auf Harry Belafontes Lied „September“ zu sprechen kommen. In der letzten Strophe heißt es: Tief im Dezember sollen sich unsere Herzen an das Feuer des Septembers erinnern.
Genau, danke Harry:
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